OMIM: | 176270 |
Diagnostik: | methylierungssensitive MLPA |
Material: | postnatal: 2 ml EDTA-Blut |
Analysezeit: | 2 Wochen |
Formulare: |
Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) ist eine seltene genetische Erkrankung mit einer Prävalenz von 1:15000 bis 1:30000. Pränatal fällt das Prader-Willi-Syndrom durch eine verminderte fetale Aktivität und häufig durch eine abnormale Kindslage auf. In der Neugeborenenzeit weisen die Kinder aufgrund einer ausgeprägten Muskelhypotonie eine Trinkschwäche und Gedeihstörungen auf.
Im Kleinkindalter entwickelt sich das auffälligste Symptom des PWS: eine Hyperphagie mit fehlendem Sättigungsgefühl, die zur Entwicklung einer Adipositas mit nachfolgenden Komplikationen wie Diabetes mellitus und kardiopulmonalen Erkrankungen führen kann. Patienten mit einem Prader-Willi-Syndrom weisen eine leichte bis mäßige mentale Retardierung auf, wobei die Einschränkungen außerordentlich unterschiedlich sein können. Dabei können mögliche Sprachentwicklungsstörungen und Lernschwierigkeiten durch Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. Sturheit, Wutanfälle und Schlafstörungen verstärkt werden. Häufig fallen sehr kleine Hände und Füße auf sowie charakteristische faziale Merkmale wie z.B. eine schmale Stirn, schmale Oberlippe mit abwärts gerichteten Mundwinkeln und mandelförmige Augen. Es treten auch endokrine Störungen auf, wie z.B. ein Wachstumshormon-Mangel (ursächlich für Kleinwuchs) oder Hypogonadismus, der sich als genitale Hypoplasie, unvollständige Pubertätsentwicklung und in den meisten Fällen Unfruchtbarkeit manifestiert.
Das Prader-Willi-Syndrom kann verschiedene genetische Ursachen in der Chromosomenregion 15q11-q13 haben. In dieser Region kartieren Gene, die einer elterlichen Prägung unterliegen (genomisches Imprinting). Gene, die in diesem Bereich des Chromosoms 15 lokalisiert sind, sind nur auf einem der elterlichen Chromosomen aktiv, entweder auf dem mütterlichen Chromosom 15, oder auf dem Chromosom 15, das von dem Vater ererbt wurde. Eine Modifikation (Methylierung) regulatorischer DNA-Abschnitte auf dem väterlichen oder mütterlichen Chromosom (15) nennt man Imprinting. Durch das Imprinting wird die Aktivität bestimmter Gene direkt oder indirekt beeinflusst.
Das Prader-Willi-Syndrom entsteht durch mehrere unterschiedliche Mechanismen, die alle zu einem auffälligen Methylierungsmuster führen:
- etwa 70-75% der Patienten mit PWS weisen eine interstitielle, de novo aufgetretene Deletion auf dem väterlichen Chromosom 15 (15q11.2-q12) auf. Bei de novo Mutationen besteht kein erhöhtes Wiederholungsrisiko. Seltener liegen unbalancierte Translokationen oder kleine überzählige Markerchromosomen vor.
- 25-30% der Patienten mit Prader-Willi-Syndrom weisen eine maternale Uniparentale Disomie upd(15)mat auf, d.h. beide Chromosom 15 sind mütterlichen Ursprungs, das väterliche Chromosom 15 fehlt.
- Bei ca. 1% der Patienten liegt ein Imprinting Defekt vor. In diesem Fall trägt das väterliche Chromosom im Bereich 15q11q13 eine mütterliche Prägung, wodurch die entsprechenden Gene auf dem väterlichen Chromosom abgeschaltet sind.
Nur bei ca. 1% der Kinder mit Verdacht auf ein PWS-Syndrom lässt sich keine Deletion, UPD15mat, und kein Imprinting Defekt nachweisen. In diesen Fällen können die Patienten differentialdiagnostisch hinsichtlich einer Uniparentalen Disomie 14 (upd(14)mat) untersucht werden. Ein auffälliges Methylierungsmuster in der Region 14q32 kann klinisch einem PWS sehr ähnlich sein. Sehr selten können trunkierende MAGEL2-Mutationen auf dem paternalen Allel einen Prader-Willi-Phänotyp verursachen. Mutationen in diesem Gen konnten jedoch bisher nur bei vier Patienten mit Prader-Willi-ähnlichen Symptomen wie z.B. einer mentalen Retardierung und Adipositas aber auch mit autistischen Verhaltensweisen nachgewiesen werden.
Da ca. 70-75% der Prader-Willi-Fälle auf eine de novo Deletionen zurückzuführen sind, ist das Wiederholungsrisiko sehr gering. Gleichwohl werden auch Familien mit einem gehäuften Auftreten des PWS beschrieben, was im Wesentlichen davon abhängt, welche der o.g. Ursachen für das Auftreten des Syndroms verantwortlich ist. In Familien mit PWS-Fällen besteht die Möglichkeit des familiären Vorkommens des Angelman-Syndroms.
Weitere Informationen zu Mikrodeletions-Syndromen finden Sie hier.