Magazin

So erhalten Sie Gewissheit!

Haben Sie schon mal von einem Krebsprädispositionssyndrom gehört? Es bezeichnet genetisch bedingte Krebsarten, die in Kombination mit anderen schweren Krankheiten auftreten. Häufig werden diese übersehen und oder erst spät erkannt. Betroffene weisen ein hohes Risiko auf, die Erkrankung zu vererben. Um die Diagnostik zu verbessern, empfiehlt sich ein Gentest. Dadurch erweitern sich die Therapiemöglichkeiten.

Etwa 10% aller Kinder und Jugendlichen, die an Krebs erkranken, leiden zugleich an einem Krebsprädispositionssyndrom. Besonders tückisch: sie werden in ihrem weiteren Leben wahrscheinlich noch an mindestens einer weiteren Krebsart erkranken und/oder eine andere Erkrankung davontragen. Das Li-FraumeniSyndrom (LFS) stellt eine Form dieser Erkrankungen dar. Es äußert sich in Form von verschiedenen Tumoren wie z.B. Weichteil-, Hirn-, Nebennieren- und Knochentumoren, Blutkrebs, oder – bei jungen Frauen – auch Brustkrebs. Verantwortlich für diese Krankheit zeigt sich ein defektes, mutiertes Gen, das TP53 heißt. Diesem Gen fällt eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle von Zellwachstum und Tumorbildung zu. Kommt es bei der Zellteilung zu Fehlern, so repariert ein intaktes TP53-Gen diese oder zerstört die fehlprogrammierten Zellen. So sorgt es dafür, dass diese sich nicht weiter ausbreiten. Ein defektes TP53-Gen hingegen sieht sich dazu außerstande. Die Folge: fehlerhafte Zellen vermehren sich, es entsteht ein Tumor.

Genetischer Defekt als Ursache

Jeder Mensch trägt zwei Kopien des TP53-Gens in sich, je eine Kopie von der Mutter und vom Vater. Das Li-Fraumeni Syndrom vererbt sich autosomal-dominant. Das bedeutet, dass das veränderte Gen nur auf einem der beiden Autosomenpaare, die jeder Mensch in sich trägt, vorliegen muss, um in Erscheinung zu treten. Autosomen sind Chromosonen, die nicht an der Ausprägung des Geschlechts beteiligt sind. Chromosomen bestehen aus langen Strängen in der DNA, die das Erbgut beinhalten. Etwa 70% der LFS-Patienten erben die Erkrankung von der Mutter oder vom Vater. Bei etwa 5-20% der Patienten entsteht die Mutation spontan (sog. Neumutation). Die Kinder eines Erkrankten weisen ein Risiko von 50% auf, das defekte Gen zu erben und weiterzuvererben.

Diagnosesicherheit erhöhen

Doch damit nicht genug: häufig lässt sich aus der Analyse der Familiengeschichte allein ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nicht ablesen. „Wir empfehlen darum jedem, der um sein Risiko weiß oder es vermutet, einen Gentest zu machen“, rät die Humangenetikerin Dr. Saskia Kleier. „Dieser eignet sich gleichermaßen für Eltern und auch ihre Kinder, in deren Familiengeschichte Krebsdispositionssyndrome bereits auftraten und die präventiv tätig werden möchten.“

Kein Gentest ohne Beratung

Ein solcher Gentest ist einfach und unkompliziert und erfordert lediglich eine Blutabnahme. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten vollständig. Der Nutzen besteht darin, dass dieser Test die Diagnostik verbessert und absichert. Je früher genetische Defekte gefunden werden, desto bessere Therapieoptionen tun sich auf. Und umso frühzeitiger lassen sich individuelle Präventionsmaßnahmen finden.

Weil genetische Diagnosen u. U. erhebliche soziale, emotionale und psychische Folgen nach sich ziehen, verbindet der Gesetzgeber obligatorisch einen Gentest mit einer vorangehenden genetischen Beratung. „Diese Beratung hat die Aufgabe, Sie nicht nur über medizinische Aspekte zu informieren, sondern Ihre Situation zu analysieren und herauszufinden, wie Sie am besten mit dem Stress einer eventuellen Diagnose umgehen. Natürlich vermitteln wir Sie auch an Experten, falls es erforderlich sein sollte“, betont die Humangenetikern Dr. Astrid Preusse.

Wer sollte sich im Hinblick auf ein Li Fraumeni-Syndrom testen lassen?

Die Chompret Kriterien empfehlen eine genetische LFS-Untersuchung, wenn mindestens einer der nachfolgenden Punkte vorliegt.  Ein Patient oder Patientin

  • erkrankte an einer Krebsart des LFS-Tumorspektrums vor dem Alter von 46 Jahren UND weist mindestens einen erst- oder zweitgradig Verwandten mit einem LFS-Tumor (außer Brustkrebs, wenn der Patient selbst Brustkrebs hat) auf – und zwar vor dem Alter von 56 Jahren
  • erkrankte an mehreren Tumoren (außer Brustkrebs), von denen zwei zum LFS-Tumorspektrum gehören und die vor dem 46. Lebensjahr auftraten
  • erkrankte an einem Nebennierenrindentumor (ACC, die Nebenniere ist kleines Organ oberhalb der beiden Nieren gelegen), einem Choroid-Plexus-Tumor (ein seltener Hirntumor) oder an einem embryonalen anaplastischen RMS (ein besonderer Weichteiltumor) unabhängig von der Familienanamnese
  • erkrankte an Brustkrebs vor dem 31. Lebensjahr.

Zudem existieren Konstellationen, die nach klassischen Diagnosekriterien eine genetische Testung nahelegen. Zu diesen zählen:

  • Ein Patient hat die Diagnose eines Sarkoms im Alter ≤45 Jahren
    UND
  • Ein erstgradig Verwandter (Vater, Mutter, Kinder) erkrankte im Alter ≤45 Jahren an Krebs
    UND
  • Ein erst- oder zweitgradig (Großeltern, Geschwister, Enkel) Verwandter erkrankte im Alter ≤45 Jahren an Krebs oder entwickelte ein Sarkom unabhängig vom Erkrankungsalter.

Verwandte Erkrankungen

Zu den verbreitetsten Krebsprädispositionssyndromen zählen u.a. das Louis-Bar-Syndrom, das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, das Down-Syndrom, das von Hippel-Lindau-Syndrom, das MEN-Syndrom, die Neurofibromatose, das WAGR-Syndrom und die familiäre Form des Retinoblastoms.

Sie möchten mehr über Krebsdispositionssyndrome erfahren? Eine gute Übersicht mit weiterführenden praktischen Informationen bieten die nachfolgenden Adressen:

www.krebs-praedisposition.de
Ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Kinderonkologen, die Patienten und ihre Familien über Krebsprädispositionssyndrome informieren. Dort finden Betroffene Ansprechpartner, um die passende Therapie zu ermitteln.

lfsa-deutschland.de
Diese Selbsthilfegruppe vernetzt Betroffene miteinander, um den Erfahrungsaustausch zu fördern.

www.pancare.eu
Diese europäische Initiative widmet sich den Auswirkungen von Patienten, die als Kind oder in der Jugend an Krebs erkrankten. Sie baut seit 2011 eine Datenbank von Überlebenden auf, entwickelt Nachsorgeempfehlungen und erforscht onkologische Spätschäden.