OMIM: | 131100 |
Diagnostik: | Sequenzierung und CNV: MEN1 |
Material: | 2 ml EDTA-Blut |
Analysezeit: | 4 Wochen |
Formulare: |
Die Multiple endokrine Neoplasie (MEN1, Synonym: Wermer-Syndrom) ist durch eine Neoplasie der Nebenschilddrüsen, der Hypophyse und der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse gekennzeichnet. Die Manifestationen der MEN1 entwickeln sich über drei bis vier Jahrzehnte. 80% der Genträger entwickeln Symptome bis zum 50. Lebensjahr. Die festgestellten tatsächlichen Tumoren hängen vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Die Häufigkeit in der Bevölkerung wird mit 1-10:100.000 angegeben. Bei ca. 10% der Patienten ist die Erkrankung neu entstanden (Neumutationen).
Es bilden sich meist gutartige Tumoren der Nebenschilddrüsen, der Hypophyse und der endokrinen Anteile der Bauchspeicheldrüse sowie selten Geschwülste der Nebennierenrinde, des Thymus, der Bronchien und des Magen/Darmsystems sowie der Haut (Lipome oder Angiofibrome). Die Tumoren der Bauchspeicheldrüse sind meist gutartig, können aber auch bösartig sein oder im Verlauf entarten (neuroendokrine Tumoren, NET, Karzinoide).
Im Gegensatz zu den MEN2-Patienten betrifft die erste und häufigste Manifestation des MEN1 die Nebenschilddrüsen, meist schon mit 25-30 Jahren. Es kommt zum primären Hyperparathyreoidismus, der bei 95% der Patienten bis zum 50.Lebensjahr nachzuweisen ist. Typische Symptome sind kalziumhaltige Nierensteine, Knochenveränderungen sowie gastrointestinale und muskuläre Beschwerden (Stein-Bein-Magenpein). Die zugrundeliegende Hyperkalzämie tritt dagegen meist schon im Jugendalter auf.
Die zweithäufigste Manifestation sind Neoplasien der Inselzellen im Pankreas. Sie treten meistens gemeinsam mit dem Hyperparathyreoidismus auf. Die häufigsten Hormone, die aus den Inselzellen verstärkt freigesetzt werden sind pankreatisches Polypeptid, Gastrin (Zollinger-Ellison-Syndrom), Insulin (Insulinom), vasoaktives intestinales Peptid (VIP, Verner-Morrison-Syndrom), Glucagon (Glucagonom) und Somatostatin (Somatotropinom). Seltener gebildete Hormone sind v.a. ACTH, CRH, GHRH, Calcitoninprodukte, Neurotensin, Gastroinhibitorisches Peptid. Im endokrinen Pankreas entwickeln 30-80% der MEN1 Patienten Tumoren, am häufigsten (ca. 50%) Gastrinome, die zu Magenulcera führen, weniger als 10% Insulinome und 3% Glukagonome. Der Hypophysenvorderlappen ist bei 20-50% der MEN1 Patienten betroffen, häufig (ca. 66%) bilden sich Prolactinome, die zu Zyklusstörungen, Libidoverlust, Hirsutismus und Gesichtsfeldausfällen führen. Selten kann man ein Somatotropinom nachweisen, so dass dann das Risiko einer Akromegalie besteht. Tumoren der Nebennierenrinde findet man bei ca. 35% der MEN1 Patienten. Diese sind meist asymptomatisch, nur selten führen sie zum Cushing-Syndrom.
Das gleichzeitige oder zeitlich getrennte Auftreten von zwei der genannten Neoplasien bei einer Person begründet den Verdacht auf die Diagnose MEN1. Bei Angehörigen reicht die Entwicklung eines einzelnen endokrinen Tumors als Anzeichen für MEN1.
Indikation:
Eine genetische Testung wird empfohlen bei:
- MEN1 typischem Tumor <40 Jahre und/oder multifokalem Tumor
- MEN1 typischem Tumor unabhängig vom Alter und mit positiver Familienanamnese
- 2 oder mehr MEN1 typischen Tumoren
- wiederholtem (innerhalb von 3 Monaten) Auftreten MEN1 typischer Tumore.
Patienten mit nachgewiesener Mutation im MEN1-Gen wird eine früh einsetzende Vorsorge empfohlen. Diese Vorsorge besteht in jährlichen Prolaktin- und IGF1 Kontrollen ab dem 5. Lebensjahr (mit MRT Kopf alle 3 Jahre), Kontrollen von PTH und Calcium jährlich ab dem 8. Lebensjahr, Insulin, Proinsulin, Glucagon, pankreat. Polypeptid, Gastrin jährlich und CT-Thorax und Abdomen alle 2-3 Jahre.
MEN1 wird verursacht durch Mutationen im MEN1-Gen, dass auf dem langen Arm von Chromosom 11 liegt (11q13). Das MEN1-Gen kodiert das Protein MENIN, welches für die Regulation des Wachstums der Zelle verantwortlich ist (DNA-Reparatur und Entwicklungsprozesse). Eine Mutation im MEN1-Gen führt zu einem nicht funktionierenden Protein, das seiner Aufgabe, das Wachstum zu bremsen (Tumorsuppressor), nicht mehr nachkommen kann, die Zelle wächst ungeregelt, es entsteht ein Tumor. Der Erbgang ist autosomal dominant, die Penetranz mit ca. 90% sehr hoch.
Eine frühzeitige diagnostische Absicherung empfiehlt sich zur Prävention und zur Therapie von betroffenen Genträgern.
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