Analysenspektrum Molekulargenetik

Muskelatrophie Spinale, proximale (5q-SMA)

OMIM: 253300, 253550, 253400
Diagnostik:

CNV: SMN1, SMN2
(Pränataldiagnostik: ggf. Sequenzierung der Exons 7 und 8 des SMN1-Gens zur Bestätigung von homozygot vorliegenen Deletionen nach MLPA-Analyse)

Material:

2 ml EDTA-Blut

Analysezeit: 1 - 2 Wochen
Formulare:  

Die 5q-assoziierte spinale Muskelatrophie (5q-SMA) gehört zu den häufigsten genetisch bedingten neuromuskulären Erkrankungen. Die Häufigkeit beträgt 1 : 5 000 – 1 : 10 000. Ca. jede 35.-45. Person der Normalbevölkerung ist symptomloser Anlageträger. Die 5q-SMA ist durch einen langsam fortschreitenden Untergang von Vorderhornzellen im Rückenmark und z.T. auch motorischer Hirnnervenkerne gekennzeichnet. Die Vorderhornzellen leiten Impulse an die Muskulatur weiter, die für die willkürlichen Bewegungen wie Krabbeln, Laufen und Kopfkontrolle zuständig sind.

Die klinische Klassifikation der SMA beruht im Wesentlichen auf der Definition erworbener Tätigkeiten (z.B. Sitzen, Laufen).  Bei der klassischen SMA Typ I und Typ II handelt es sich um die schwere Form der Erkrankung, die bereits im Neugeborenenalter bzw. im zweiten Lebenshalbjahr diagnostiziert wird. Die ersten Symptome zeigen sich in Form einer ausgeprägten Muskelschwäche, das freie Sitzen ist nicht möglich. Das klinische Bild wird im weiteren Verlauf hauptsächlich durch die Trinkschwäche und die respiratorischen Probleme geprägt. Die Mehrzahl der betroffenen Kinder stirbt ohne Therapie innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Der Typ III ist vom Verlauf milder und beginnt zwischen dem Säuglings- und Jugendalter, wobei das klinische Spektrum sehr breit ist. Die Kinder können das Sitzen und meist Laufen erlernen, verlieren aber die Gehfähigkeit später häufig wieder. Daher ist ein großer Teil der Kinder später auf den Rollstuhl angewiesen. Betroffene mit einem SMA Typ IV erkranken nach dem 30. Lebensjahr. Da die motorische Entwicklung in den ersten Lebensjahren z.T. verzögert abläuft, ist eine klinische Unterscheidung zwischen den einzelnen Typen oft zum Diagnosezeitpunkt nicht sicher zu treffen. Insgesamt erlaubt der variable Krankheitsverlauf keine Vorhersage über die individuelle Prognose.

Die 5q-SMA, wird autosomal rezessiv vererbt und beruht auf einer Mutation beider Allele (Homozygotie) des Gens SMN1 (survival-motor-neuron 1) auf Chromosom 5 (5q13.2).  Nur bei 2-5% der Patienten liegt eine heterozygote (also nur auf einer der beiden Kopien des Gens befindliche) Deletion zusammen mit einer Punktmutation auf der zweiten elterlichen Genkopie vor. Etwa 2% der Anlageträger tragen zwei SMN1-Kopien auf einem Allel (SMN1-Duplikation) und keine SMN1-Kopie auf dem anderen Allel (SMN1-Deletion) (Genotyp: SMN1[2+0]). Das unterschiedliche Manifestationsalter bzw. der unterschiedliche Verlauf der einzelnen SMA Formen wird wesentlich durch die Anzahl der vorhandenen Kopien des chromosomal benachbarten und nahezu identischen Gens SMN2 beeinflusst, von dem im Vergleich zum Gen SMN1 nur eine geringe Menge Volllängen-Transkript abgelesen wird und somit nur eine geringe Menge eines funktionsfähigen Proteins gebildet wird.

Die Spinalen Muskelatrophien sind chronische, fortschreitende Erkrankungen, wobei Schweregrad und Verlauf sehr unterschiedlich sein können. Eine effektive Behandlung erfolgt multidisziplinär. Es stehen molekulare Therapien zur Verfügung (Spinraza® (Nusinersen), Evrysdi® (Risdiplam) oder Onasemnogene Abeparvovec-Xioi (Zolgensma®)), die den Progress der Erkrankung verlangsamen können und in vielen Fällen sogar zu einem Zugewinn an motorischen Fähigkeiten führen. Entscheidend für den Therapieerfolg ist hierbei ein möglichst früher Therapiebeginn, optimalerweise vor dem Einsetzen der Neurodegeneration mit Verlust von motorischen Fähigkeiten. Daher wurde die SMA auch in das Neugeborenenscreening aufgenommen.

Indikation:

  • Verdacht auf spinale Muskelatrophie
  • unklare Hypotonie, Atem- und Trinkschwäche oder Zungenfibrillationen bei Geburt
  • Vorkommen einer SMA in der Familie

 

siehe auch
Neuromuskuläre Erkrankungen – allgemeine Informationen

Zusätzliche Downloads: