Analysenspektrum Molekulargenetik

Mentale Retardierung, X-Chromosomale und Autismus-Spektrum-Störungen

OMIM: 309580, 300354, 300534
Diagnostik:

siehe weiterführende Diagnostik: Trioanalyse Exom (Eltern und Kind)

Material:

2 ml EDTA-Blut

Analysezeit: 8-12 Wochen
Formulare:  

Mentale Retardierung beschreibt die Entwicklungsstörung mit geistiger Behinderung. Betroffene Patienten sind durch eine Beeinträchtigung von kognitiven und adaptiven Fähigkeiten charakterisiert und weisen insbesondere eine Intelligenzminderung auf (IQ <70). Die Prävalenz liegt bei ca. 2% in der Bevölkerung. Schwere Formen mit IQ<50 treten deutlich seltener auf und werden mit einer Prävalenz von ca. 0,4% angegeben. Das Krankheitsbild der mentalen Retardierung ist sehr heterogen und bis heute noch nicht vollständig erforscht. Aktuell wird davon ausgegangen, dass genetische Faktoren zu mindestens 50% eine Rolle bei der Entstehung von mentaler Retardierung spielen. Häufig treten zusätzliche psychische und somatische komorbide Erkrankungen oder Dysmorphiezeichen auf.

Die Diagnostik der Patienten mit mentaler Retardierung findet stufenweise statt. Etwa 10-20% der Betroffenen weisen eine chromosomale Aberration auf. Daher erfolgt nach der klinischen Indikation zu Beginn der Diagnostik eine Chromosomenanalyse, womit Aneuploidien z.B. Trisomie 21, Turner Syndrom oder kleinere Chromosomenaberrationen wie z.B. partielle Trisomien nachgewiesen werden können. Weitere 10-15% mit einer unauffälligen Chromosomenanalyse besitzen ursächliche Mikrodeletionen oder -duplikationen. Diese Chromosomenaberrationen werden in einer zweiten Diagnostikstufe mittels Array CGH analysiert. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass derartige Mikrodeletionen oder -duplikationen neben Patienten mit Intelligenzminderung auch häufig bei Betroffenen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) nachweisbar sind. Autistische Störungen umfassen eine Gruppe von tiefgreifenden Entwicklungsstörungen des Gehirns, die von Geburt an vorliegen und in den ersten Lebensjahren symptomatisch auftreten. Neuere Studien ermitteln eine weltweite Prävalenz für ASS von etwa 0,8% über alle Altersgruppen, wobei das männliche Geschlecht deutlich häufiger als das weibliche betroffen ist (4:1). Bei ASS-Patienten sind drei Hauptmerkmale (Kernsymptome) zu beobachten: gestörte soziale Interaktion, beeinträchtige Kommunikation und Sprache sowie wiederholte stereotype Verhaltensweisen und Interessen. Neben dem Auftreten der Kernsymptome zeigen ASS-Patienten zahlreiche psychische und somatische komorbide Erkrankungen oder Dysmorphiezeichen.

Insgesamt können bei etwa 65% der Patienten mit mentaler Retardierung mit den o.g. Methoden keine ursächlichen genetischen Veränderungen für die nicht syndromalen Entwicklungsstörungen nachgewiesen werden. Neuere Studien lassen darauf schließen, dass die Patienten häufig dominante Neumutationen (de novo) in Genen aufweisen, die eine essenzielle Bedeutung in der Entwicklung und Vernetzung von Neuronen spielen. Das Risiko für dominante Neumutationen steigt mit dem väterlichen Allel, wohingegen die Rate an chromosomalen Trisomien mit dem mütterlichen Allel steigt. Forschungsarbeiten der letzten Jahre lassen vermuten, dass bis zu 50% der schweren Entwicklungsstörungen auf dominante Neumutationen und kleinere Deletionen/Duplikationen (Indels) zurückzuführen sind, wobei die Verteilung der genetischen Aberrationen sehr heterogen ist.

Aufgrund der genetischen Heterogenität der Erkrankung erfolgt ein stufendiagnostisches Vorgehen:

Stufe 1: Chromosomenanalyse
Stufe 2: Array CGH
Stufe 3: Fragiles-X-Syndrom (externe Laboruntersuchung)
Stufe 4: Trio-Exomanalyse

In unserer weiteren molekulargenetischen Diagnostik wird zuerst eine Analyse des Fragilen-X-Syndroms durchgeführt, was die häufigste monogenetisch vererbte Erkrankung bei Patienten mit mentaler Retardierung darstellt. Bei unauffälligem Ergebnis erfolgt eine Trio-Exomanalyse (Eltern und Kind). Zur Identifizierung dominanter Neumutationen werden bei dieser Diagnostik zusätzlich die Eltern analysiert.

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