Analysenspektrum Molekulargenetik

Neurofibromatose Typ2 (NF2)

OMIM: 101000
Diagnostik:

Sequenzierung und CNV: NF2

Material:

2 ml EDTA-Blut

Analysezeit: 3-4 Wochen
Formulare:  

Die Neurofibromatose Typ II (NF2) wird nach neuer Nomenklatur (2022) auch als NF2-bedingte Schwannomatose bezeichnet und folglich als eine Unterform der Schwannomatose betrachtet. Die zweite Unterform stellt die Nicht-NF2-bedingte Schwannomatose dar (früher: Schwannomatose, siehe unten Differentialdiagnosen). Da sich die Symptome beider Erkrankungen sehr ähneln, wurde die Schwannomatose oft nicht als solche erkannt und als untypische NF2 diagnostiziert.

Die NF2-bedingte Schwannomatose (im folgenden Text als NF2 abgekürzt) ist eine autosomal-dominant vererbte Tumorerkrankung, die jährlich ungefähr 1 von 28 000 Neugeborenen betrifft. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen liegt eine Neumutation im NF2-Gen vor. Obwohl die NF2 im klassischen Fall erst im Erwachsenenalter symptomatisch wird, zeigen sich in der Kindheit oft erste Symptome: Minderung oder Verlust des Gehörs, „Klingeln“ (Tinnitus) im Ohr oder Probleme mit dem Gleichgewicht (Vertigo). Gelegentlich treten als erstes Anzeichen einer NF2 neurologische Ausfälle durch Tumoren an der Wirbelsäule oder auch eine Linsentrübung (Katarakt) auf.

Leitsymptom der NF2-bedingten Schwannomatose ist das in mehr als 90 % der Fälle bis zum 30. Lebensjahr auftretende, bilaterale Vestibularisschwannom (früher: Akustikusneurinom). Es handelt sich dabei um einen gutartigen Tumor, der sich, vom VIII. Hirnnerven ausgehend, symmetrisch im Bereich beider Hör- und Gleichgewichtsnerven entwickelt.

Typisch ist neben der Tumorbildung (Schwannome (90 %), Meningeome (48 %), Ependymome des Rückenmarks (25 %)) eine Trübung der Augenlinse (juveniles subkapsuläres Katarakt). Etwa 10 % der NF2-Betroffenen können auch einzelne Café-au-lait Flecken haben. Ein Teil der NF2-Patienten fällt durch eine Gangunsicherheit infolge von Gleichgewichtsstörungen auf. Da Tumoren bei NF2 langsam wachsen, ist es wahrscheinlich, dass sie bei einer Person schon viele Jahre bestanden, bevor sie Symptome verursachen.

Die Therapie ist symptomatisch und besteht i.d.R. in der operativen Entfernung der Tumoren. Entscheidend ist dabei, dass die betreffenden Tumoren rechtzeitig erkannt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass operierte Tumoren wieder auftreten (Rezidive). Für Betroffene, bei denen sich das Gehör verschlechtert und nicht die Möglichkeit besteht, Vestibularisschwannome hörerhaltend zu operieren, stellt die Gabe des „Biologicals“ Bevacizumab (VEGF (vascular endothelial growth factor) -Antikörper) eine vielversprechende Alternative dar.

Die NF2 wird durch Mutationen im NF2-Gen verursacht, das auf dem langen Arm von Chromosom 22 (22q12) lokalisiert ist und das Protein Merlin (Synonyme: Schwannomin, Neurofibromin 2) kodiert, was ein Akronym für Moesin-Ezrin-Radixin like protein ist. Merlin kann über verschiedene Signalwege einen hemmenden Einfluss ausüben und darüber hinaus das Wachstum von Gewebe fein regulieren. Der durch NF2-Mutationen bedingte Verlust von Merlin führt u.a. zur unkontrollierten Proliferation von Schwannzellen.

Indikation:

Die folgenden klinischen Merkmale machen das Vorliegen einer NF2 wahrscheinlich:

  • Hörstörungen unklarer Genese
  • Linsentrübung (Katarakt) unklarer Genese
  • Schwannome jeglicher Lokalisation (inklusive der Haut)
  • Meningeom (Histologie: Zellen sind i.d.R. nicht arachnoidaler Herkunft)
  • Einseitiges Vestibularis-Schwannom vor dem 30. Lebensjahr und ein Meningeom, Schwannom, Gliom oder Linsentrübung (Katarakt)
  • Mehrere Meningeome und ein Ependymom (bei Erwachsenen v.a. im Bereich des Rückenmarks, bei Kindern auch in der hinteren Schädelgrube), Linsentrübung oder Schwannom vor dem 30. Lebensjahr
  • Vorliegen eines Vestibularis-Schwannoms auf einem Ohr und gleichzeitiges Vorliegen zwei der folgenden Symptome: Meningeome, Ependymome, Schwannome, Neurofibrome, Katarakt
  • Vorliegen beidseitiger Vestibularis-Schwannome bestätigt klinisch eine NF2

Wichtige Differentialdiagnosen sind folgende Nicht-NF2-bedingte Schwannomatosen sowie die NF2-Mosaikbildung:

  1. DGCR8-assoziierte Schwannomatose (verglichen mit NF2 keine Vestibularis-Schwannome)
  2. LZTR1-assoziierte Schwannomatose (verglichen mit NF2 oft unilaterale Vestibularisschwannome, aber keine Katarakt oder Ependymome)
  3. SMARCB1-assoziierte Schwannomatose (verglichen mit NF2 zwar multiple Schwannome, jedoch i.d.R. kein Vestibularisschwannom und keine Katarakt oder Ependymome)
  4. Mosaikbildung: Bei 25 bis 50 % der Betroffenen vorwiegend mit unilateralen Vestibularisschwannomen liegt die NF2-Mutation als somatisches Mosaik im Tumorgewebe vor, i.d.R. wird somit keine NF2-Mutation im Blut nachgewiesen. Eine molekulargenetische prädiktive Testung der Eltern eines Betroffenen mit NF2-Mutation im Mosaik ist nicht indiziert.

Für Betroffene mit nachgewiesener Keimbahn-Mutation im NF2-Gen, aber auch für enge Verwandte (Kinder, Geschwister etc.) sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll. Zur Vorbeugung von Komplikationen sollte bereits ab dem etwa 10. bis 12. Lebensjahr ein Kopf-MRT sowie jährliche Kontrolluntersuchungen (z.B. Hörtest, augenärztliche Tests, neurologische Tests) sowie ggf. präventive bildgebende Untersuchungen mindestens bis zur 40. Lebensdekade durchgeführt werden.

 

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